Walk the Line

Survival of the fittest: Während so manche Trendsportrakete schon nach recht kurzer Zeit verglüht, ist das Slacklining immer noch en vogue. Gerade im Sommer bietet es sich an, frischen Wind ins Training zu bringen und selber mal online zu gehen.

Das extrem wirksame Training ohne Bodenhaftung unterscheidet sich von klassischen "Drahtseilakten" schon vom Material her: Balanciert wird nämlich auf einem Gurtband, das aus Polyester oder Nylon besteht. Breite? 25 bis 50 Millimeter. Kosten? Eine Indoor-Komplettlösung (Slackline-Gestell) gibt es ab etwa 300 Euro. Outdoor geht der Spaß ab circa 20 Euro los, denn da benötigst du lediglich ein Band, das an Bäumen oder sonstwo befestigt wird. Das finanzielle Risiko ist beim Freiluft-Training also äußerst gering. Mal antesten kann somit wenig schaden, aber ganz viel nutzen.

Was sind die Goodies?


Nicht nur Gleichgewichtssinn, Körperbeherrschung und Motorik profitieren vom Training auf der Slackline. Auch die tief sitzende Rumpfmuskulatur, die vor allem für eine verbesserte Haltung und Stabilität sorgt, wird mit dem Band viel effektiver trainiert als mit anderen Sportgeräten. Weil viele das Slacken mehr als Spaß denn als Sport empfinden, steigen zusätzlich Trainingsbereitschaft und Motivation. Wer regelmäßig übt, tut viel für Balance, Fitness, Konzentration und Koordinationsfähigkeit. Damit trainierst du alles, was hilft, um Stürzen vorzubeugen, daher ist "Slacklining" auch eine prima Unfallverhütungsmaßnahme.

Geringe Einstiegshürden


Slackline-Lobbyisten führen gerne an, dass der Sport grundsätzlich für alle geeignet sei. Grundsätzlich heißt, es gibt auch Ausnahmen. Ein leidlich funktionierender Gleichgewichtssinn und gewisse motorische Fähigkeiten sollten vorhanden sein. Ordentliche Voraussetzungen haben auf jeden Fall schon mal alle, die sich auf Surf-, Snow- oder Skateboards, wahlweise auch auf Roll- oder Schlittschuhen zumindest halbwegs gut halten können. Du traust es dir zu? Dann gibt es vor dem Open-Air-Start eigentlich nur noch eine Besonderheit zu beachten. Diese betrifft das sehr gern genutzte öffentliche Baum-Training.

Take Good Care


Wähle zunächst passende Kandidaten. Bewegt sich der Baum merklich, ist er nicht tough enough. 30 Zentimeter Stammumfang sollten es schon sein. Wer sich zudem nicht gleich als Anfänger, geschweige denn Umweltsünder outen möchte, schützt die Gewächse. Unter Last bewegen sich die Befestigungsschlingen am Stamm etwas auf und ab. So entstehen unter Umständen freigeriebene Flächen, die Pilze und Fäulnis einladen. Daher Schutzmaterial einsetzen. Du kannst aus Teppichboden oder Filz selbst etwas basteln, es gibt aber auch eigens dafür konzipierte Baumschoner.

Beim üben entstehende Zug- und Druckkräfte können Bäume ebenfalls schädigen. Worst Case: die Leitungsbahnen des Gewächses werden abgedrückt, so dass irreversible Schäden entstehen. Hier gilt: Je breiter die Schlinge, desto geringer das Risiko. Misst sie zehn Zentimeter, bist du auf der sicheren Seite. Standard sind allerdings fünf, ein Hürde, die sich durch zweimaliges versetztes Umbinden überwinden lässt.

Vorm Gehen kommt das Stehen


Was für Kleinkinder beim Laufenlernen gilt, trifft im Wesentlichen auch auf Slackline-Newbies zu: Wer stehen kann, kann auch gehen. Zuerst sollte also der sichere Stand geübt werden. Fängst du mit dem Gehen an, gelingen " Naturtalente bilden die Ausnahme " vermutlich nur einige unkontrolliert Schritte, so dass der finale Absturz vorprogrammiert ist. Das wahrscheinliche Scheitern liegt am fehlenden Schwingungsausgleich, der beim Einüben des sicheren Stands in Fleisch und Blut übergeht. Wer ruhig stehend gelernt hat, alle Bewegungen auszubalancieren, kann Wackler abfangen und das Seil wieder in den Ruhezustand versetzen. Diese Fähigkeit ist die Voraussetzung für eine sichere Begehung.

Wie Ãœbst du den Stand?


Die Slackline-Länge sollte maximal zehn Meter betragen und das Band in Kniehöhe straff gespannt sein. Als idealer Aufstiegspunkt gilt der eine Viertelseillänge vom Baum entfernte "Sweet Spot", das ist die Stelle der Line, auf der du am leichtesten stehen kannst. Versuche zuerst auf einem Bein zu stehen und nutze die in Schulterhöhe ausgestreckten Arme sowie das zweite Bein zum Balancieren. Achte darauf, dass das Standbein nicht durchgestreckt ist, so gelangst du leichter ins Gleichgewicht. Wichtig ist, dass du mit der gesamten Fußlänge in Blickrichtung Baum stehst. Es mit der Fußmitte um 90 Grad versetzt versuchen, ist wesentlich schwieriger und bringt fürs anschließende Gehen rein gar nichts. Anfangs wird das Standbein vermutlich zittern, das legt sich aber mit zunehmender Praxis. Wenn du so aufgestellt schon ein Weile die Balance halten kannst, setzt du zweite Bein vorweg. Im Gleichgewicht bleiben, ist dann schon schwieriger, aber auch diese Hürde wirst du bei grundsätzlicher Eignung für die Sportart nehmen.

First Steps


Sobald du den sicheren Stand drauf hast, ohne dass die Line unter deinem Fuß vibriert (eher bei schmalem Band) oder seitlich hin und her pendelt (eher bei breitem Band), kannst du die ersten Schrittversuche in Angriff nehmen. Fixiere das Ziel (den Baum gegenüber), schaue also nicht auf die Füße. So wird eine mögliche leichte Schieflage nach vorne vermieden. Der Körperschwerpunkt sollte in Höhe des vorderen Fußes liegen, da so der hintere Fuß einfacher bewegt werden kann. Und dann, piano, langsam und sicher schlägt schnell und wackelig. Also nicht hektisch vorpreschen, sondern den Fuß gemüchlich und kontrolliert die Line entlang führen. Mach auch keine zu großen Steps, sondern taste dich behutsam voran, heißt, gelange nach jedem Schritt erst ins Gleichgewicht bevor der nächste erfolgt.

Wendepunkt


Beherrschst du das Gehen, wird es Zeit, das Wenden am Ende der Slackline zu üben. Dazu wird der Vorderfuß seitwärts auf den Fußballen gedreht und der hintere entlastet. Nun erfolgt die beschwingte Körperdrehung um 180 Grad. Der vormalige Hinter- wird zum längs stehenden neuen Vorderfuß. Nun das Gewicht auf ihn verlagern und den in Seitwärtsposition verharrenden -alten Vorderfuß in Gehrichtung bringen.

Spaßfaktor steigern


Immer nur Auf und Ab - wenn das Gehen erst mal erlernt ist, droht womöglich Langeweile. Zeit, das Übungsprogramm aufzupeppen. Wichtig: Da bei vielen der folgenden Tricks die Gefahr droht, auf den Rücken zu fallen, sollte nur über weichen Landeflächen trainiert werden.

Diagonalstand
Stell den rechten Fuß quer aufs Band und stützte dich in horizontaler Lage mit der linken Hand auf der Line ab. Linker Fuß/rechte Hand geht natürlich auch. Zum Balancieren wird jeweils das freie Bein und der freie Arm benutzt. Das Ganze Ähnelt optisch dem seitlichen Liegestütz.

Querstand und -gang


Stell deine Füße quer mit der Fußmitte Richtung Ballen auf die Slackline und versuche die Balance möglichst lange zu halten. Die Beine stehen dabei auseinander, etwa so wie beim Snowboarding. Wichtig: Der Bick bleibt Richtung Baum - das Querstehen betrifft nur den Unter-, nicht aber den Oberkörper. Sonst wird die ohnehin schon schwierige Übung noch komplexer. Gelingt sie dir, kannst du es in der Folge mit Quergehen versuchen.

Schwebesitz
Setze dich quer auf die Line und hebe die leicht anwinkelten Beine in Parallelstellung an. Die Fersen sind in der Endposition auf Bandhöhe, der gerade Rücken ist leicht zurückgelehnt und die Arme zum Ausbalancieren ausgestreckt.

Liegen
Hier legst du dich mit Bauch (leichter) oder Rücken aufs Band und versuchst unter Einsatz der "Balancier-Arme" die Stellung möglichst lange zu halten. Auf der Line wird meist mit einem Fuß geklammert, das andere Bein schwebt parallel in der Luft. Auch ein Versuch mit verschränkten Füßen ist möglich, aber deutlich schwerer. Du musst Übrigens nicht exakt gerade auf der Line liegen, leicht versetzt mit einer Schulterseite und gegenüberliegendem Oberschenkel geht auch.

Die gebräuchlichste Art des Slackens, nämlich das mit kleineren Herausforderungen verbundene Balancieren in geringer Höhe (Fachjargon: Trick- oder Lowling) ist damit fast abgehandelt. Es gibt noch ein paar andere Varianten wie etwa das Hinknien. Zudem kann die Lowline auch für klassische Übungen wie Bridges, Dips, Push-ups oder Pull-ups verwendet werden. Das hat mit dem Kern der Sportart zwar nicht mehr ganz so viel zu tun, tut Spaß und Effektivität aber keinen Abbruch.

Very High, Very Dark


Im Laufe der Zeit haben sich zahlreiche Varianten des Slacklinings entwickelt, von denen viele nur für wahre Könner geeignet sind. Hier ein Überblick.

Highlining
Eine Highline wird deutlich über der ungefährlichen Fallhöhe gespannt, was zusätzliche Absicherungsmaßnahmen erfordert. Highlines werden entweder urban oder in freier Natur eingesetzt, bei Letzterem werden gelegentlich auch Vulkankrater genutzt. Highlining gilt als Königsdisziplin des Slackens.

Urban- und Waterlining
Beim Urbanlining wird im städtischem Umfeld "geslackt", also vornehmlich bestehende Architektur genutzt, Brücken und Gebäude erfreuen sich dabei großer Beliebtheit. Beim Waterlining wird das Band über eine Wasserfläche gespannt.

Freestyle, Speed- und Longlines
Gemeinsamer Nenner ist hier, dass die Übungen auf einer Highline ausgeführt werden. Beim Freestyle geht es um Artistik und beim Speedlining um Schnelligkeit. Eine möglichst lange Distanz zu überbrücken, ist Ziel des Longlinings. Die Bestmarke wurde letztes Jahr von Natan Paulin in seinem Heimatland Frankreich aufgestellt. Er bewältigte 2200 Meter in knapp zwei Stunden Laufzeit. Gespannt war die Line in 100 Meter Höhe zwischen einem Kran und dem berühmten Schloss auf der Felseninsel Mont-Saint-Michel.

Und sonst?
Im Dunklen balancieren gibts auch. Entweder drau´ßen (Nightline) oder drinnen (Darkline). Die Ausführung erfolgt low oder high- zudem ist Waterlining im Programm. Weiter geht´s mit schlaff und straff. Bei der Rodeoline geht es sinnbildlich ums Nichtabgeworfen werden. Das Band ist nur locker gespannt, was den Verbleib darauf sehr schwer macht. Auf einer extra hart gespannten Jumpline werden Drehungen und Sprungübungen (etwa Vorwärts- und Rückwärtssalti mit Landung auf Line oder Boden, Line-To-Line-Jumps auf nebeneinander gespannt Bändern) vollführt.

Slacklining als Leistungssport


Insgesamt gibt es eine Vielzahl von Weltmeistern und Weltrekorden. Valide sind dabei vor allem Disziplinen, in denen echte Konkurrenz herrscht. Bei der ersten Highline-WM, die 2022 im schweizerischen Laax stattfand, gab es ein Kräftemessen in den aus Wettkampfsicht besonders beliebten Teilbereichen Freestyle- (Punktewertung) und Speed-Highlining. Die Qualität der Sieger ist verbürgt, denn sie belegen auch in den entsprechenden Kategorien (insgesamt gibt es sechs) der Frauen- und Männer-Weltrangliste der International Slackline Association (ISA) Spitzenplätze.

Abbildung: alexanderuhrin - stock.adobe.com
Quelle: shape UP Fitness 4/2023
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