Komprimiert auf Kraft

Mit Kompressionsbekleidung den Trainingserfolg steigern – das ist die Hoffnung vieler Trainierender. Doch eine eindeutige Antwort gibt es darauf nicht. Auch weil es im Sportbereich Vieles als Kompressionsbekleidung verkauft wird, das kaum eine Wirkung erzeugt.
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Es ist der Wunsch vieler Trainierender: Mit Hilfsmitteln den Trainingserfolg effektiv steigern. Mehr Fitness mit weniger Training, mehr Muskeln aufzubauen, ohne den Aufwand zu steigern. Dafür gibt es einige Mittel. Nasenpflaster, die das Atmen verbessern sollten. Oder Nahrungsergänzungsmittel, die für den Extra-Push sorgen sollen.
Schnelleres Muskelwachstum?
Der neueste Trend: Kompressionsbekleidung. Die Hoffnung: schneller fitter zu werden und den Muskelaufbau zu forcieren. Denn durch den Druck der Kompressionsbekleidung auf die Muskeln müsse der dadurch ausgelöste Reiz zu mehr Wachstum führen. So die Theorie.
Allerdings: Die Studienlage hierzu ist aktuell noch recht unübersichtlich und widersprüchlich. Eindeutig nachgewiesen ist, dass Trainierende mithilfe von Kompressionsstrümpfen und -tights den venösen Abfluss des Bluts aus dem Bein verbessern können. Es gibt Hinweise, dass sich dadurch zum Beispiel die Laufgeschwindigkeit und die Belastungszeit verbessern. Viele Sportler im Profibereich wenden Kompressionsbekleidung im Anschluss an intensive Trainingseinheiten und Wettkämpfe an. Sie erhoffen sich davon eine schnellere und bessere Regeneration, was auch eine Studie der St. Mary University London belegt. Sie weist nach, dass durch das Tragen von Kompressionsbekleidung nach intensiven sportlichen Belastungen der Muskelschmerz eindeutig reduziert wird.
Sinnvoll nach dem Krafttraining
Zu ähnlichen Einschätzungen kommt auch Prof. Dr. Helmut Lötzerich. „Von Ganzkörper-Kompressionsbekleidung halte ich nicht viel“, sagt der Dozent an der Trainerakademie Köln, „da diese festanliegende Kleidung die Atmung behindert. Und richtig Atmen ist eine wichtige Grundlage für ein erfolgreiches Fitness-Training.“ Zwar haben die Muskeln beim Training mehr Halt, die Muskeln werden stabilisiert, aber ob das den Muskelaufbau pusht, dafür gäbe es keine wissenschaftlichen Nachweise. „Im Hochleistungssport gibt es einige Sportler, die sich von der Kompression bessere Leistungen erhoffen. So experimentieren in der Basketball-Bundesliga einige Spieler mit Kompressionsbekleidung“, ergänzt der Sport-Professor. Nach dem Krafttraining mache Kompressionsbekleidung aber schon Sinn, sagt Helmut Lötzerich: „Die Muskeln entspannen sich schneller, weniger Muskelkater und schnellere Regeneration sind die positiven Folgen.“
Genormte Kompressionskleidung
Ein grundsätzliches Problem ist, dass sich fast alles als Kompressionsbekleidung bezeichnen und damit verkaufen lässt. Die Vorgaben, welche Parameter Kompressionsbekleidung auszeichnen, fehlen. Nur für den medizinischen Bereich gibt es DIN-Normen. Zum Beispiel für Kompressionsstrümpfe, die in Sanitätshäusern verkauft werden. Hier definieren die Normen den Druck, den der Strumpf ausüben soll.
Damit Trainierende, die mit Kompressionsbekleidung ihren Erfolg steigern wollen, nicht mehr beim Kauf auf Ramschware hereinfallen, haben die Hohenstein Laboratories gemeinsam mit einigen Sportbekleidungsherstellern Eckpunkte für die Leistungsqualität von Kompressionsbekleidung festgelegt. Denn „ohne eine klare Beschreibung von Prüfprinzip, Verfahren, Parametern und Anforderungen, auch an zu verwendende Geräte, können weder der Handel noch der Käufer von Kompressionstextilien vom Hersteller gemachte Angaben nachvollziehen und vergleichen“, sagt Florian Girmond, bei Hohenstein verantwortlich für den Fachbereich Consumer Tests. Und ergänzt: „So können im Handel gleich deklarierte Kleidungstücke ein sehr unterschiedliches Druckverhalten aufweisen, zum Beispiel einen unterschiedlich starken Druck.“
Wann es allerdings die so genormte Kompressionsbekleidung im Handel gibt, ist noch offen. Florian Girmond schätzt die Lage so ein: „Die DIN SPEC 4868 trägt das Veröffentlichungsdatum von November 2020. Die Hersteller werden also mit Sicherheit noch etwas Zeit benötigen, um sich auf die DIN SPEC einstellen zu können. Gleiches gilt mit Sicherheit auch für den Handel, der dann wiederum seinen Einfluss auf die Hersteller geltend machen kann und auch wird. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Derartige Implementierungen von neuen Anforderungsprofilen an Funktionstextilien benötigen einen gewissen Vorlauf.“
Wir bleiben dran für euch und berichten über den weiteren Fortschritt der Implementierung.
Quelle: shape UP 2/21
Abbildung: sportpoint / shutterstock.com