Krafttraining outdoor

Noch immer zählt das Krafttraining zu den am meisten unterschätzten Sportarten. Es wird mit aufgepumpten Muskelbergen, Poser-Gehabe im Fitnessstudio und Proteinshakes als Hauptnahrungsmittel assoziiert – völlig zu Unrecht, denn Krafttraining geht jeden etwas an!

Das Training gegen Widerstände bringt zahlreiche gesundheitliche Vorteile mit sich, macht physisch sowie psychisch stark und steigert die Leistungsfähigkeit im Alltag und im Sport. Dabei muss nicht unbedingt im Gym an speziellen Maschinen trainiert werden. Auch mit dem eigenen Körpergewicht und den zahlreichen Möglichkeiten an der frischen Luft lassen sich effektive Reize setzen. Beim Krafttraining geht es darum, durch Muskelarbeit gegen Widerstände bzw. Lasten zu arbeiten. Das Ziel ist es also, insgesamt mehr Kraft durch Muskelkontraktionen zu entwickeln. Trainiert man regelmäßig im Wiederholungsbereich zwischen einer und 20 Wiederholungen, kommt es zu zahlreichen positiven Adaptationen (Anpassungen).

Neuromuskuläre Koordination


Gerade bei Anfängern verbessert sich in erster Linie die neuromuskuläre Koordination. Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass das Zusammenspiel zwischen Zentralem Nervensystem (ZNS) im Gehirn und Rückenmark und der Muskulatur optimiert wird. Bewegungen entstehen nämlich nicht im Muskel selbst, sondern das ZNS gibt über Nervenbahnen das Signal, ob und wie stark die Muskulatur kontrahieren soll. Eine Nervenzelle bildet zusammen mit mehreren Muskelzellen eine sogenannte Motorische Einheit.

Bei Untrainierten werden in der Regel lediglich 20 % der Motorischen Einheiten innerhalb eines Muskels synchronisiert, also gleichzeitig in Aktion gebracht, wobei Sportler bis zu 100 % erreichen können (1). Durch regelmäßiges Krafttraining können also mehr Muskelfasern innerhalb eines einzelnen Muskels innerviert werden, was man intramuskuläre Koordination nennt. Darüber hinaus verbessert sich auch die intermuskuläre Koordination, was das Zusammenwirken verschiedener Muskeln meint, die an einer Bewegung beteiligt sind. Beim Bizeps-Curl zum Beispiel sind ganze fünf Muskeln beteiligt, obwohl es sich um eine eingelenkige, recht simple Übung handelt.

Neuromuskuläre Optimierung


Neben dieser neuromuskulären Optimierung für mehr Leistungsfähigkeit kommt es durch Krafttraining zu einer Vergrößerung des Muskelquerschnitts, was man Hypertrophie nennt. Viele Menschen möchten ihr Äußeres durch Sport ihrem Schönheitsideal annähern – und egal, wie das aussieht: In der Regel werden eine Reduktion von Körperfett und der Aufbau von straffem Gewebe, also Muskelmasse, angestrebt. Hinzu kommt, dass Muskeln echte Fettkiller sind, denn sie verbrennen eine Menge Kalorien und sind sehr stoffwechselaktiv. Dadurch steigt der sogenannte Grundumsatz, also die Energie, die man auch in Ruhe zur Aufrechterhaltung aller Körperfunktionen benötigt.

Anpassung des Bewegungsapparates


Auch der passive Bewegungsapparat passt sich an, also Knochen, Gelenke und Bänder. Die über 200 menschlichen Knochen sind nämlich kein statisches Gebilde, sondern organische Systeme mit Blutgefäßen und Nerven, die sich ein Leben lang erneuern und den Lebensbedingungen seines Besitzers anpassen. Durch regelmäßiges Krafttraining nimmt die Knochendichte zu, was Osteoporose, Verletzungen und Knochenbrüchen vorbeugt. Auch Sehnen und Bänder passen sich einem bewegten Lebensstil an. Sie werden elastischer und strapazierfähiger und reißen dadurch seltener.

Gelenke sind Verbindungsstücke unserer Knochen, die durch Knorpelgewebe geschützt werden. Als Polster verhindert es, dass Knochen aufeinander reiben, sich abnutzen und schmerzen. Beim Widerstandstraining werden Knorpel durchbewegt und mit Gelenkflüssigkeit zur Nährstoffversorgung durchspült. Regelmäßige körperliche Aktivität sorgt wortwörtlich dafür, dass Gelenke reibungslos funktionieren können.

Die Liste der positiven körperlichen Veränderungen durch Krafttraining ist lang und dennoch scheuen viele Menschen die Maschinen oder freien Gewichte im Fitnesscenter. Um effektiv trainieren zu können, braucht es diese aber auch gar nicht. Workouts mit dem eigenen Körpergewicht liegen seit der Corona-Pandemie nicht nur voll im Trend, sondern können mit ein bisschen Kreativität auch die richtigen Reize setzen.

Training mit dem eigenen Körpergewicht


Sporttherapeut und Athletiktrainer Nils Heim schätzt Bodyweight-Training als geeignet ein, um Muskulatur zu erhalten und sogar aufzubauen. Outdoor-Krafttraining empfehle sich vorrangig, wenn die Verbesserung der allgemeinen Stärke bzw. Leistungsfähigkeit im Vordergrund stehe. Erfahrene Sportler könnten durch mangelnde Widerstände durchaus an ihre Grenzen stoßen, weil kein entsprechender Reiz gesetzt werden könne. Vor allem der Unterkörper sei oft zu kräftig, um wirkungsvoll mit dem eigenen Körpergewicht trainieren zu können. Während der Pandemie konnte der Trainer mit seinen Klienten und Athleten aber gute Erfolge erzielen und betont vor allem die positiven Nebeneffekte beim Training an der frischen Luft. Bewegung in der Natur wirke sich günstig auf das mentale Wohlbefinden aus und baue nachweislich Stress ab. Hinzu kommen die zahlreichen Tools, die man draußen nutzen könne wie beispielsweise eine Parkbank, Klettergerüste oder Treppenstufen. So wird das Training abwechslungsreich und sorgt für Motivation und Spaß. Als zusätzliches Trainingsequipment empfiehlt der Trainer einen Schlingentrainer sowie Sandsäcke. Der Schlingentrainer wiegt fast nichts, für günstige Modelle muss man kein Vermögen ausgeben und er lässt sich outdoor an Stangen oder Bäumen befestigen. Der Kreativität sind mit diesem Tool keine Grenzen gesetzt, zumal die Übungen durch die Instabilität koordinativ anspruchsvoller werden und den gesamten Körper fordern. Nils Heim spricht in diesem Zusammenhang gern vom „kreativen Krafttraining“.

Progression ist wichtig


Einer der wichtigsten Grundsätze beim Krafttraining ist die Progression. Damit ist gemeint, sich möglichst kontinuierlich zu steigern, mehr Widerstand zu bewegen oder mehr Wiederholungen zu absolvieren. Athletiktrainer Nils Heim erklärt: „Der größte Fehler beim Krafttraining ist, immer das Gleiche zu machen und auf andere Ergebnisse zu hoffen. Selbst der kleinste Fortschritt motiviert ungemein, da man sieht, dass es vorangeht, sich die Leistungen steigern und der Körper sich verändert.“

Kreativität muss sein


Outdoor ist hierbei wieder Kreativität gefragt, da man zum Beispiel bei Kniebeugen nicht einfach wie im Fitnessstudio mehr Gewichtsscheiben auf die Hantel packen kann. Squats sind eine Übung, von der die meisten Menschen problemlos 20 oder mehr Wiederholungen schaffen, was eine Verschiebung aus dem Krafttrainings- in den Ausdauertrainingsbereich bedeuten würde. Es bieten sich nun verschiedene Möglichkeiten an, eine Übung zu intensivieren. Eine davon ist, unilateral zu arbeiten, denn einseitiges Trainieren ist generell anstrengender und koordinativ anspruchsvoller.

In der Praxis könnte eine Progression von einfach zu schwer dann so aussehen: Kniebeuge, einbeinige Kniebeuge an einer Bank als Erhöhung, einbeinige Kniebeuge mit Schlingentrainer-Unterstützung, einbeinige Kniebeuge.

Eine andere Möglichkeit besteht in der Veränderung der Hebelverhältnisse, was sich anhand von Liegestütze gut demonstrieren lässt. Diese BodyweightÜbung lässt sich hervorragend an der frischen Luft trainieren und die Technik perfektionieren. Zu Beginn sollte man einen recht offenen Winkel wählen und Push-ups beispielsweise an einem Baum oder einer Mauer bei geringer Schräglage durchführen. Man steigert sich dann, indem die Erhöhung reduziert wird, wie an einer Parkbanklehne und anschließend der -sitzfläche. Nachdem neutrale Liegestütze parallel zum Boden technisch sauber beherrscht werden, könnte man den Hebel umkehren und die Füße auf der Bank aufsetzen, was die Übung wieder herausfordernder macht.

Sprungübungen


Zum Training an der frischen Luft gehören für den Sporttherapeuten Nils Heim auch Sprungübungen, die sich gut an einer Treppe oder Parkbank umsetzen lassen. Das Sprungtraining sei insgesamt eine unterschätzte Trainingsart – auch für erfahrene Athleten. Der große Vorteil bestehe darin, dass durch Sprünge nicht nur die Muskulatur gekräftigt werde, sondern sich auch die Stabilität in allen Gelenken erhöhe, was die Leistungsfähigkeit in zahlreichen Sportarten steigere und typischen Verletzungen wie Bänderrissen vorbeuge.

Auch Läufer profitieren vor allem von den Landungen von einer Erhöhung, da Laufen schließlich aus einer kontinuierlichen Abfolge von Einbeinsprüngen bestehe. Außerdem wirke es der Volkskrankheit Osteoporose entgegen. Nils Heim appelliert an das Kind im Manne oder der Frau, was sich beim Sprungkrafttraining kreativ auslassen könne – Treppe hoch, Bank herunter, einbeinig abspringen, beidbeinig landen, Drehungen einbauen usw. Um das Prinzip der Progression aufzugreifen, könne man sich beim Sprungtraining beispielsweise von kleinen Hops bis zu größeren Sprüngen hocharbeiten, erst beidbeinige, dann einbeinige Sprünge wagen und die Erhöhungen progressiv steigern.

Das Krafttraining darf aus dem Fitnesscenter also auch gern in die Natur verlagert werden, da sich outdoor zahlreiche Möglichkeiten bieten, an seiner Stärke und Leistungsfähigkeit zu arbeiten.

Abbildung: Jacob Lund / shutterstock.com
Quelle: shape UP 5/2022
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