Training unter Druck

Muskuläre Verletzungen haben häufig eine Kraftminderung und den Abbau der Muskelmasse zur Folge. Ein Krafttraining bereits in der frühen Rehabilitationsphase kann dem entgegenwirken. Doch die erforderliche Belastbarkeit des heilenden Gewebes ist zu dieser Zeit noch nicht gegeben. Ein Training mit geringerer Intensität führt nicht zu einem bedeutenden Kraft- und Muskelaufbau, es sei denn, es wird ein Blood Flow Restriction (BFR) Training durchgeführt.

Das BFR-Training ist ein effektives Training, um mit geringer Intensität eine Kraft- und Muskelzunahme zu erzielen. Ist ein Krafttraining mit hoher Intensität dagegen möglich, ist dies für die Steigerung der Maximalkraft zu bevorzugen. Für das Hypertrophietraining ist das BFR-Training dagegen als echte Alternative oder zumindest als Ergänzung zu betrachten, nicht nur in der Reha.

Warum BFR-Training?


Das BFR-Training hat seinen Ursprung in Japan und das Interesse daran hat in den letzten zehn bis 15 Jahren unter Trainern und Physiotherapeuten stark zugenommen. Die zwischenzeitlich umfangreich zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Studien zu dieser Methode zeigen beeindruckende Ergebnisse.Das Band, das beim BFR-Training um die zu trainierende Extremität gelegt wird, erzeugt einen Druck auf das darunterliegende Gewebe, der den arteriellen Blutfluss reduziert und den venösen unterbricht. Dadurch kann schon mit einer Trainingsintensität von 20 bis 50 % des 1RM, also dem Gewicht, das du maximal bei einer Übung bewältigen kannst, eine ähnliche oder etwas geringere Steigerung der Maximalkraft erzielt werden, in jedem Fall eine vergleichbare Querschnittzunahme der Muskulatur, wie bei einem gewöhnlichen Krafttraining mit 70 bis 85 % des 1RM. Das gilt für Menschen jeden Alters, speziell auch für Sportler. In jedem Fall ist es einem niedrigintensiven Krafttraining ohne Veränderung des arteriellen und venösen Blutflusses überlegen. Selbst in Verbindung mit einem Ausdauertraining können durch die Restriktion des Blutflusses Kraft- und Umfangssteigerungen erzielt werden.

Geringere Belastung


Der entscheidende Vorteil des BFR-Trainings ist, dass die mechanische Belastung auf den Körper, allen voran auf das muskuloskelettale System, deutlich geringer ist, als bei einem gewöhnlichen Krafttraining. Daher eignet es sich insbesondere für Menschen, die aufgrund von Verletzungen oder Beschwerden eine reduzierte Belastbarkeit aufweisen, gleichzeitig aber auch eine Kraftminderung und Muskelatrophie, wie zum Beispiel nach einer vorderen Kreuzbandruptur oder bei einer Kniearthrose. Bei ihnen führt ein solches Training in der frühen Rehabilitationsphase darüber hinaus auch zur Schmerzlinderung.

Wirkungsweise


In der Forschungssarbeit von Lorenz et al. wird die Wirkungsweise des BFR-Trainings hinsichtlich der Kraft- und Umfangszunahme der Muskulatur zusammengefasst. Die Autoren schreiben, dass für eine Muskeladaption eine Kombination aus mechanischer Spannung, muskulärer Mikroverletzung und metabolischem Stress erforderlich ist. Was genau für die Zunahme der Muskelkraft und des Muskelzuschnittes beim BFR-Training verantwortlich ist, ist noch nicht gänzlich geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass die größere Ansammlung von Metaboliten, also Stoffwechselprodukten des Körpers (v. a. Laktat) und die verstärkt entstehende Hypoxie in der Muskulatur (verminderter Sauerstoffgehalt), im Vergleich zu einem Training gleicher Intensität, aber ohne Reduktion des Blutflusses, die bedeutendsten Rollen spielen. Beides führt zu einer früheren neuromuskulären Ermüdung und dadurch zu einer höheren Muskelaktivierung, was anabole Prozesse stimuliert und die Proteinproduktion fördert. Insbesondere kommt es früher zu einer zusätzlichen Rekrutierung von höherschwelligen motorischen Einheiten der (Maximal-)Kraft liefernden FT-Fasern (fast-twitch-Fasern), um trotz der beschleunigten Ermüdung die erforderliche Muskelkraft für das Erreichen der angestrebten Wiederholungszahl einer Serie aufrechtzuerhalten. So wirkt sich der hypertrophe Stimulus des Trainings auf eine höhere Anzahl an Muskelfaser aus. Die Hypoxie führt zudem zur Aktivierung von Satellitenzellen (kaum entwickelte Muskelstammzellen, die sich teilen können) und Angiogenese (Bildung neuer Blutgefäße aus bestehenden); die Ansammlung von Metaboliten zum Anstieg von Wachstumshormonen und der Produktion von Myokinen wie Interleukin-6, was zusätzlich die Aktivierung von Satellitenzellen fördert.

Nebenwirkungen und Komplikationen
Bezüglich des BFR-Trainings wird immer wieder über Nebenwirkungen und resultierenden Komplikationen diskutiert. Dabei sind die Nebenwirkungen vergleichbar mit einem herkömmlichen Krafttraining. Am häufigsten treten eine akute Muskelermüdung, ein leichtes Unbehagen in der Muskulatur während und kurz nach dem Training sowie ein anschließender Muskelkater auf. Zudem kommt es zu einer Beanspruchung des Herzens, die sich in einer gesteigerten Herzfrequenz, einem erhöhten Blutdruck und einem reduzierten Schlagvolumen zeigt. Wirklich relevante Komplikationen wie Taubheit oder Nervenverletzungen, Blutergüsse und ischämische Verletzungen, Schwindel und Ohnmacht, eine Thrombusbildung (Blutgerinnsel) sowie Muskelschäden und die Rhabdomyolyse (Auflösung der quergestreiften Muskulatur) kommen dagegen kaum vor. Die kardiale Beanspruchung während des BFR-Trainings ist im Vergleich zu einem gewöhnlichen Krafttraining etwas höher; nach dem Training fällt der systolische und diastolische Blutdruck beim BFR-Training jedoch schneller ab.

Subjektive Anstrengung
Die subjektiv empfundene Anstrengung ist beim BFR-Training etwas höher als bei einem gewöhnlichen Krafttraining. Beispielsweise untersuchten Vieira et al. diese bei zwei verschiedenen Trainingsmethoden: bei einem hochintensiven Krafttraining mit einer Intensität von 80 % des 1RM und einem BFR-Training mit 50 % des 1RM. In jeder Einheit wurden drei Serien der Übung Bizeps-Curl bis zur vollständigen Ermüdung durchgeführt. Die Serienpause betrug jeweils eine Minute. Die Bewertung der Anstrengung erfolgte 30 Minuten nach dem Training. Obwohl beim BFR-Training insgesamt weniger Arbeit verrichtet wurde (192 vs. 301 kg), war die subjektive Anstrengung höher. Auf einer Skala von 0 bis 10 (keine bis sehr hohe Anstrengung) nannten die Probanden nach dem BFR-Training eine 9 im Vergleich zu einer 6.

Abbildung: Ruslan Shugushev / shutterstock.com
Quelle: shape UP 5/2022
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