Row, row, row the boat

In den letzten Monaten haben alle Fitnessfans Bekanntschaft mit dem Hometraining gemacht. Das Training in den eigenen vier Wänden spart zwar Zeit, Geld und organisatorischen Aufwand, jedoch bringt es auch einige Nachteile und sogar Risiken mit sich. Während sich nämlich Stützübungen und Druckbewegungen simpel umsetzen lassen, kommen Zugbewegungen wie Rudern oft zu kurz.
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Im Idealfall stehen im Fitnesscenter Trainingsgeräte, Maschinen und ausgebildete Trainer zur Verfügung, um das eigene Training effektiv und mit geringstmöglichem Verletzungsrisiko zu gestalten. Beim Trainieren zu Hause können sich durch falsche Bewegungsausführungen Fehler einschleichen oder die Belastung falsch eingeschätzt werden. Bei Bodyweight-Übungen wie Kniebeugen reichen fünf bis zehn Wiederholungen beispielsweise nicht aus, um einen Trainingsreiz zu setzen. Es kann also dazu kommen, dass die Intensität und somit die Effektivität im Hometraining leiden.
Außerdem besteht das Risiko der einseitigen Belastung, wenn Druck- und Zugbewegungen nicht in einem ausgeglichenen Verhältnis trainiert werden. Zu Hause lassen sich Druckübungen wie Liegestütze oder Dips, Stützübungen wie Unterarm- und Seitstütz sowie Crunches und Leg Lifts als Bauchübungen unkompliziert umsetzen. Allerdings beanspruchen diese hauptsächlich die Muskulatur unserer Vorderseite. Ziel des Oberkörpertrainings sollte jedoch sein, alle Bewegungsmuster gleichmäßig zu fordern, um Verletzungen und Haltungsschäden vorzubeugen und einen Ausgleich zu Alltagshaltungen zu schaffen. Unser gesamter Alltag ist heutzutage nach vorn ausgerichtet, nämlich zum Beispiel dann, wenn wir essen, am Schreibtisch arbeiten, das Lenkrad steuern oder uns die Zähne putzen. Was uns im 21. Jahrhundert fehlt, ist Hangeln, Klettern, sich an etwas hochzuziehen und festzuhalten. Genau diese Bewegungsmuster müssen durch regelmäßiges Training ausgeglichen werden.
Die Bedeutung von Rückentraining
Stephanie Gerhardt ist lizenzierte A-Personal-Trainerin für Krafttraining und Neuroathletik und kennt sich mit ganzheitlichem Training bestens aus. Sie betont, dass der Körper immer eine Homöostase anstrebt, was bedeutet in allen Systemen ausgeglichen zu sein. Schenkt man dem Rückentraining zu wenig Aufmerksamkeit, kann es in Körperstrukturen wie den Schultern zu Problemen kommen. Denn wenn beispielsweise der große Rückenmuskel, der M. latissimus dorsi, nicht trainiert und leistungsfähig ist, kommt es zu Überbelastungen kleinerer Muskelgruppen. Außerdem trägt die Rückenmuskulatur maßgeblich zur Gesamtstabilisation des Körpers bei, da sich die einzelnen Muskeln vom Hals über die Schultern bis hin zum Steiß ziehen. Zudem lässt sich durch regelmäßiges Rückentraining die Körperhaltung verbessern, da sich ein Gespür für die eigenen Muskeln entwickelt. Trainerin Gerhardt arbeitet mit ihren Kunden an der Wahrnehmung ebendieser: Wo sitzt die Schulterblattmuskulatur? Was macht der Latissimus? Wie fühlt es sich an, wenn der Trapezmuskel angespannt wird?
Umsetzung im Hometraining
Zugübungen sind so definiert, dass etwas mit den Händen von vorne, unten oder oben aus verschiedenen Winkeln zum Brustkorb gezogen wird. Für Stephanie Gerhardt ist Rudern dabei die Übung, die jedermann zu Hause mit wenig Aufwand umsetzen kann und deshalb am besten fürs Hometraining geeignet ist. Auch Klimmzüge gehören zu den Zugübungen, die jedoch für viele zu anspruchsvoll und komplex sind.
Die Trainerin aus Beelitz empfiehlt, sich fürs Rückentraining kleines Equipment zuzulegen. Besonders eignen sich große Widerstandsbänder und je nach Montagemöglichkeit ein Schlingentrainer oder Ringe. Viele Schlingentrainer bieten die Möglichkeit, sie durch Türstopper an gewöhnlichen Türen unkompliziert zu fixieren. Arbeitet man dann entgegen der Öffnungsrichtung, sollte das Trainingsgerät sicher und stabil halten. Theoretisch lassen sich Ruderbewegungen auch an einer Tischkante oder mithilfe eines Besenstiels über zwei Stühlen durchführen, wovon aus Sicherheitsgründen aber abzuraten ist.
Der Vorteil bei einem Schlingentrainer oder Ringen besteht darin, dass sich das Rudern durch verschiedene Griffarten und unterschiedliche Winkel einwandfrei skalieren lässt und somit eine Progression im Hometraining möglich ist. Je näher der Oberkörper dem Boden kommt und je größer der Winkel dadurch wird, desto anspruchsvoller ist die Übung.
Rudern am Schlingentrainer
Anfänger sollten in einer leichten Schräglage mit zehn Wiederholungen für drei Sätze beginnen und sich dann steigern, indem die Füße weiter vorn aufgesetzt werden, sodass sich der Körper einer waagerechten Position annähert. Durch die Stabilisierung des Rumpfes wird außerdem der gesamte Core mittrainiert. Auch beim Rudern mit dem Widerstandsband ist eine Skalierung und Variation möglich.
Vorgebeugtes Rudern mit Widerstandsband
Am schwersten ist das vorgebeugte Rudern, wenn sich mit beiden Füßen parallel auf das Band gestellt und an beiden Schlaufen gezogen wird. Die Beine sind dabei leicht angewinkelt, der Rücken bleibt gerade und die Schulterblätter werden nach hinten gezogen.
Zudem kann das Rudern durch eine beidarmige oder unilaterale Ausführung variiert werden. Gerhardt erklärt, dass bei beidarmigem Rudern prinzipiell mehr Last bewegt werden kann, was einen größeren Reiz in der Zielmuskulatur erzeugt. Auf der anderen Seite wird bei einarmigen Übungen der Rumpf besser mittrainiert und weniger Widerstand gebraucht, was beim Workout in den eigenen vier Wänden von Vorteil sein kann. Es zeigt sich also, dass das Rückentraining abwechslungsreich gestaltet werden kann und sollte.
Zu den Variationsmöglichkeiten beim Rudern gehören auch die verschiedene Griffarten Oberhand-, Unterhand- und Parallelgriff. Stephanie Gerhardt empfiehlt den Parallelgriff zum Einstieg, da die Zuglast hier gleichmäßig auf die Rückenmuskultur verteilt und der M. latissimus dorsi gut angesteuert wird. Der Oberhandgriff ist deshalb anspruchsvoller, weil er eine höhere Mobilität erfordert und der M. deltoideus kräftig mitarbeiten muss. Wird dieser nicht richtig angesteuert, kann es zu Verspannungen im Nacken kommen. Durch den Unterhandgriff wird der Bizeps stärker mittrainiert. Prinzipiell arbeiten immer die gleichen Muskeln an der Zugbewegung mit, aber ihr prozentualer Anteil unterscheidet sich je nach Griffart. Es lohnt sich also, alle drei Varianten mit ins Rückentraining einzubeziehen.
Profitipp
Neuroathletik- und Personal Trainerin Gerhardt rät, die Zeit im Homegym als Chance zu sehen, um Neues auszuprobieren und Abwechslung in die Trainingsroutine zu bringen. Liegt der Fokus beispielsweise sonst auf Krafttraining, könne der Sportler von neuen Reizen durch Mobility- und Yogaeinheiten profitieren. Außerdem kann gezielt an Schwächen wie der Mobilität bei tiefen Kniebeugen, Liegestützen oder Klimmzügen gearbeitet werden. Zusätzlich bietet Stephanie wie viele andere Trainer und Coaches Online-Gruppen- oder individuelles Training an, womit nicht nur die Qualität des Workouts sondern auch die Motivation steigen.
Quelle: shape UP 2/21
Abbildung: Lightfield Studios / shutterstock.com